Nachhaltige Mobilität am Land: Wunschdenken oder Realität? Teil 1

Ziel des Wohnprojekts Hasendorf ist es, nachhaltiges Leben zu ermöglichen und heute schon so zu leben, wie wir im Jahre 2050 alle leben werden. Ernährung, Konsum, Wohnen und Mobilität sind dabei die Bereiche, die am meisten Einfluss auf die Umwelt haben. Einen dieser Bereiche – Mobilität –  möchte ich hier in einer kleinen Blog-Reihe vorstellen, auch um die Ideen und Visionen unseres Wohnprojekts zu skizzieren.

Nachhaltige Mobilität ist ein thematischer Dauerbrenner. Wohin wir uns drehen und wenden, überall hören und lesen wir von Elektroautos, E-Bikes, schnellen Zügen, besonders spritsparenden Technologien und vielen weiteren Themen dieser Art. Die Menschen sind in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten immer mobiler geworden und legen aufgrund höherer möglicher Geschwindigkeiten auch immer weitere Strecken zurück. Umso wichtiger ist es, dass diese Strecken möglichst energierarm zurücklegt werden.

Unterschiedliche Verkehrsmittel vergleicht man am besten in puncto Energieaufwand pro Personenkilometer. Das heißt: Wie viel Energie wird von dem jeweiligen Transportmittel aufgewendet, um eine Person bei durchschnittlichem Besetzungsgrad zu bewegen. Eine Grafik des Umweltbundesamtes zeigt, dass grundsätzlich geteilte Verkehrsmittel energieeffizienter sind:

Energieverbrauch in kWh pro Personenkilometer
Es gilt: je mehr Leute in einem Fahrzeug, desto energieeffizienter. Am aller effizientesten ist aber immer noch Muskelkraft :) © Umweltbundesamt

 

Die kürzlich veröffentlichte Bilanz der ÖBB für 2014 enthält ebenfalls eine übersichtliche Grafik zum CO2-Ausstoß pro Personenkilometer:

OEBB Bilanz 2014 CO2-Emissionen pro Personenkilometer
Die ÖBB sind mit diesem Spitzenwert auch europaweit eine der CO2-sparsamsten Bahngesellschaften. Der Wasserkraft sei’s gedankt. © ÖBB Holding

 

Bei all diesen Statistiken ist jedoch Vorsicht geboten. Man muss immer genau überprüfen, was wie gemessen wurde, um daraus Schlüsse ziehen zu können. So gibt es z. B. durchschnittliche Besetzungsgrade, mit denen die Statistik arbeitet. Darüber hinaus ist wichtig, ob über Werte in der Stadt oder am Land gesprochen wird. In der Grafik des Umweltbundesamtes schneiden Bus, Straßenbahn und U-Bahn sehr gut ab – die gibt es aber nicht in Hasendorf bzw. hat ein Postbus im Tullnerfeld einen ganz anderen durchschnittlichen Besetzungsgrad als etwa die von mir hassgeliebten Linien 10A oder 13A in Wien.

Öffentlicher Verkehr am Lande ist häufig weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig. Wenn ein 20 Meter langer Bus von Ortschaft zu Ortschaft tuckert und nur eine Handvoll Leute transportiert, wäre es ökologisch effizienter, würden diese Passagiere mit einem eigenen Auto fahren. So ein Bus braucht rund 40 Liter Diesel auf 100 km, wenn nicht deutlich mehr. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, müssten sich die 40 oder mehr Liter auf durchgehend mindestens zehn Passagiere aufteilen. Ich bin selbst am Lande aufgewachsen und habe solche Besetzungsgrade nur kurz vor und kurz nach Ende des Schulunterrichts erlebt :)

Auch ökonomisch macht sich ein solcher Betrieb nicht bezahlt. Das Ergebnis sind oft vielfache Zuschüsse aus Gemeinden, Bezirken und dem Land. Hinzu kommt, dass öffentlicher Verkehr am Lande häufig nicht bedürfnisorientiert ist, d. h. nicht dorthin fährt, wo die Leute hin wollen bzw. hin müssen. In Hasendorf gibt es keinen Bahnhof, aber eine Buslinie. Und im Tullnerfeld gibt es einen großen Hochleistungsbahnhof, von dem aus man in rund 18 Minuten am Wiener Westbahnhof ist. Leider ist der Bahnhof Tullnerfeld nicht direkt öffentlich erreichbar, denn der Bus von Hasendorf fährt den Bahnhof nicht an. Das heißt: Der Bus fährt so ziemlich überall hin (wie man in der folgenden Grafik sieht), nur nicht zum neuen Hochleistungsbahnhof… Von Hasendorf aus braucht man also alternative Mobilitäts-Konzepte, die ich im nächsten Blog-Beitrag beschreiben werde.

großraeumige Mobilitaet in Hasendorf (Bus 547)
Die roten Punkte sind die Bahnhöfe der Umgebung, die schwarzen Linien die Zugverbindungen. © OpenStreetMap-Mitwirkende für den Kartenhintergrund

 

Meine Erfahrung mit der Mobilität auf dem Lande ist die Folgende: Viele Familien hatten zwei Autos und kaum hatten die ersten Kinder ihre Führerscheine, stand oft auch schon das dritte Auto vor der Tür. Dabei werden diese Autos absurderweise den Großteil des Tages gar nicht bewegt. Die durchschnittliche Nutzungsdauer liegt bei weniger als einer Stunde. Viele Eltern am Lande spielten Eltern-Taxi und tun es heute noch. Wenn dabei nicht gerade intelligent mehrere Besorgungswege zusammengelegt werden, ist das Zeitverschwendung. Meine Eltern haben eine andere Lösung gefunden: Mein Vater pendelte mit dem Zug in sein Büro in der Großstadt und meine Mutter arbeitete bei Molkereien auf dem Lande. Mein Bruder und ich waren viel mit dem Fahrrad unterwegs und haben für größere Strecken unsere Räder einfach in den Regionalbahnen mitgenommen. Das war damals noch gratis :) Später als ich meinen Führerschein hatte, musste ich, wenn ich das Auto haben wollte, sehr früh aufstehen, meine Mutter in die Arbeit fahren und nachmittags wieder abholen. Dazwischen konnte ich es haben. Dieses Familien-Car-Sharing hat immer super geklappt.

Welche Ideen wir für Hasendorf derzeit haben, beschreibe ich im nächsten Blog-Beitrag. Nach unseren Berechnungen können wir im Wohnprojekt Hasendorf rund 53 bis 72 % weniger Umweltbelastung durch unsere geplanten Mobilitätskonzepte haben als der für Österreich berechnete Durchschnitt. Und das bei einem schönen und freudvollen Lebensstil. Bleibt dran, es lohnt sich :)